Gerd Bauer Modellbau

NSU 8/24 HP, Reiselimousine mit Aluminiumkarosserie

Auf der Internationalen Berliner Automobilausstellung von 1911 stellten die NSU Werke ihren Typ 8/24 vor: eine richtungsweisende Neukonstruktion.

Der 8/24 NSU Wagen bewährte sich ausgezeichnet. Zusammen mit dem neuen ovalen Kühler wurde 1913 eine Reiselimousine in Eiform vorgestellt, deren Karosserie ganz aus Aluminium getrieben war.

Zunächst aber die Frage: Warum Alu-Autos ab dem Jahr 1913 ?

Sicher spielte - so wie heute - das Gewicht eine ausschlaggebende Rolle. Der Hauptgrund damals lag jedoch in der leichteren Verarbeitbarkeit von Alublechen. Bis 1913 waren Karossen lediglich viereckige Kisten mit nur spärlichen Rundungen. Die Autos wurden schneller und ab da spielte auch der Luftwiderstand eine Rolle. Die Karossen wurden folglich runder und fließender.


Die Sportausführung des NSU 10/30 HP hatte noch den alten Pipe Kühler aber schon die Scheinwerfergläser waren aerodynamisch gestaltet. Die fließende Karosserieform war war ganz aus Aluminium getrieben.

Äußerlich traten an den NSU-Fahrzeugen ab 1913 deutliche Änderungen ein. Beim NSU 8/24 HP wurde der neue gefälligere Oval-2 Kühler eingebaut.

Die Karossen des neuen 8/24 und des 10/30 Sport-Zweisitzers waren nicht nur im vorderen Bereich, sondern auch im Bereich des Hecks in fließenden Linien in Alu-Bauweise gestaltet.


Da um das Jahr 1913 bei NSU keine Großpressen und entsprechende Werkzeuge zur Verfügung standen, ist es umso erstaunlicher, dass man sich an den Bau der 8/24 Reiselimousine in Eiform ganz aus Aluminium getrieben, wagt. Sie war nicht nur wegen des Materials Alu eine Besonderheit.

Alle Bedienelemente lagen im Wageninneren.

Besonders ins Auge fiel bei der gefälligen Karosserie die durchgehende Panoramawindschutzscheibe. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um die erste aus einem Stück gebogene Panoramawindschutzscheibe der Automobilgeschichte. Auch die Heckpartie war strömungstechnisch interessant.

Interessant beim Alu 8/24 sind auch die gewichtssparenden Aluminium-Hohlspeichenräder:


Somit konnten die Insassen in einer rundum geschlossenen Limousine reisen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Lenkung der Autos auf der rechten Seite. Dies in erster Linie wegen der leichteren Bedienbarkeit von Schaltung und Handbreme, die rechts außerhalb der Karosserie angebracht waren. Die meisten Menschen haben in der rechten Hand mehr Kraft und Geschicklichkeit. Aus diesem Grund dreht heute noch jeder Motor von vorne gesehen rechts herum, da die Motoren damals von Hand gestartet wurden.

Der Kraftstofftank war am Heck unten verbaut. Er lag damit unterhalb des Niveaus des Vergasers. Beim Start wurde zuerst mittels einer unter dem Amaturenbrett angebrachten Luftpumpe Druck im Tank aufgebaut. Sobald der Motor dann lief, wurde Überdruck aus dem Auspuff abgeleitet und so der Benzinfluss sichergestellt.



Die Erkenntnis, dass nun in einer geschlossenen Karosserie die Schaltung und Handbremse wegen Platzmangels schlechter zu bedienen waren, führten dazu, das bestehende System zu ändern.


Das nächste Getriebe des 8/24 war mittengeschaltet und die Lenkung wurde nach links verlegt. Somit hat der Alu-NSU 8/24 nicht nur in Material und Form Meilensteine gesetzt.

Die schnellere Fahrweise wurde durch die nach links verlegte Lenkung aufgrund der besseren Übersicht wesentlich sicherer.

Leider kam der Alu-NSU 8/24 zum falschen Zeitpunkt: 1914 brach der erste Weltkrieg aus. Damit waren ab nun andere Kriterien gefragt.

1913 waren also fünf verschiedene NSU Modelle mit Alukarosserien ausgestattet. Soweit zur Geschichte dieses Autos.

Nun zur Bauweise dieses Modells

Eine erste Überlegung:

Wie kommt man zu einer brauchbaren Zeichnung wenn - wie beim Alu-Auto nur noch dieses Foto:

zur Verfügung steht? Zentrale Voraussetzung ist, dass mindestens ein Maß bekannt ist. Hier waren es Radstand und Spurweite.

Im Computerzeitalter wird das Bild auf den zu bauenden Maßstab zurechtgezoomt. Wenn DIN A 4 nicht ausreichen sollte, druckt man Segmente aus und klebt sie zusammen oder geht gleich zum Copyshop.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Foto als Dia abzufotografieren. Dann wird der Projektor auf den Boden gestellt und das Bild über einen um 45° geneigten Spiegel auf eine in der Tischplatte gefassten Glasscheibe projeziert. Darauf wird ein transparentes Zeichenpapier gespannt. Ich habe es mit sogenannten Netzmaßen unterlegt, wie im Autobau üblich (100-er Linien).

Beim Maßstab 1:4 sind es 25 mm im Quadrat. Nun wird die Mitte Vorderrad auf den Schnittpunkt der X- und Z-Linien ausgerichtet und der Radstand, also die Hinterradmitte, auf der X-Achse eingezeichnet. Nun gehen alle weiteren Maße von der jeweiligen 25-er Linie aus. Durch Verschieben des Projektors erreichte ich den gewünschten Maßstab. Falls das Bild nicht genau frontal aufgenommen wurde, kann man dies an einer 25-er Linie erkennen und durch Änderung der Position des Projektors korrigieren. Nun kann ich eine Totalansicht oder auch nur ein Detail, bspw. eine Tür, zeichnen. Das vom Schiffbau bekannte Straklineal ermöglicht einen sauberen Verlauf der Linien zwischen den Schnitten.

Meine bisherigen Modelle waren - wie auch die Originale damals - in handwerklicher Arbeit entstanden.

Das Alu-Auto erforderte eine ganz neue Vorgehensweise. Zunächst musste ein Positivmodell aus Modellbauholz angefertigt werden. Davon habe ich mit elastischem Harz Negative abgeformt, die mit Quarzsand hintergossen waren. Dadurch entstanden schlagfeste Klopf-Modelle. In diese wurden nun die Alubleche in Segmenten durch Treiben abgeformt. Wenn man bspw. Kupferblech tiefziehen will, muss es geglüht und im Wasser abgeschreckt werden, damit es weich wird. Ein wenig schwieriger ist es bei Alublech: man muss es auf 490°C erhitzen und die Temperatur für 15 Minuten halten und danach im Wasser abschrecken. In einem Keramikbrennofen ist dies kein Problem.

Das Zusammenfügen der Blechteile übernahm ein absoluter Experte im Aluschweißen. Ohne Lunker oder Farbveränderungen wurden sie zusammengeschweißt.

In die Kotflügel mussten Sicken eingedrückt werden:

Dies gelang mir erst nach dem Bau einer maßstabgetreuen Sickenwalzeinrichtung.

Wenn die Blecharbeiten abgeschlossen sind, beginnt die Vorarbeit für die endgültige Hochglanzoberfläche. Das ist eine schwierige Aufgabe. Es darf im Blech nirgendwo mehr eine Delle sein. Spiegelnden Hochglanz erreichte ich erst nach Härten der Karosserieteile bei 225 °C für 105 Minuten. Jetzt erst kann mit dem Polieren begonnen werden. Im Autozubehörhandel gibt es eine Vielzahl von Alu-Polituren. Ich verwendete Alu-Magic, das einen Oxydationsschutz enthält. Insgesamt ist es eine sehr schmutzige Angelegenheit. Wenn das fertige Modell jedoch hochglänzend vor einem steht, dann hat sich die Mühe gelohnt !





Die Gussteile, wie Motor, Getriebe, Differenzialgehäuse, Räder, Kleinteile und Reifen erforderten einige Recherchen im Gussmodellbau und Gusstechniken.

Bei Alu-Guss ist bspw. das Schrumpfmaß 1,2%, sprich das Modell muss größer werden. Entweder berechnen oder eine Modellbauer-Schieblehre benützen. Ich mache immer einen Aufstampfboden, das hat den Vorteil, dass die Trennlinien immer da liegen, wo man sie will.

Dadurch ist die Arbeit für den Gießer beim Einformen wesentlich einfacher. (www.ars-fundendi.de)

Damit sich das Modell nach dem Einstampfen wieder vom Sand lösen lässt, sollte es nicht zylindrisch sein, sondern eine Aushebeschräge von mindestens 05, - 1° und keine Hinterschneidungen haben.



Einfacher geht es, wenn die Teile im Wachsausschmelzverfahren (www.horbach-giesstechnik.de) gegossen werden. Hierbei werden die Modelle mit Silikon abgegossen, worin dann flüssiges Wachs eingefüllt wird. Diese Wachsteile bekommt dann der Gießer. Hinterschneidungen spielen hier keine Rolle, da Silikon bis zu 450% dehnfähig ist. Vorher muss eine Stützform angefertigt werden.

Für die Reifen muss eine Aluform angefertigt werden.

Sie wird in der Gummiwerkstatt erhitzt und der Rohgummi eingeschmolzen. Die Reifen der Autos damals waren aus Naturkautschuk und daher von weißer Farbe. Bei allen Gussformen ist es wichtig, dass eine Verdrehsicherung angebracht wird. In der Regel mit halbrunden Noppen.

Zum Anfertigen der Fensterscheiben musste ich eine aufwendige Biegevorrichtung anfertigen.

Sie war nicht nur um 180° nach hinten gebogen, sondern musste der Karosserie angepasst und auch mit einem positiven und negativen Übergang versehen werden.

Für die Innenausstattung waren die Erkenntnisse der Sattler und Riemer sowie der Stellmacher von großem Nutzen.

In der Enge der Modellkarosse ließ sich der Einbau des Himmels jedoch nur durch das Anfertigen von Kunststoffschalen, auf die der Stoff aufgezogen wurde, realisieren.

Auf dem Lenkrad musste ich pro Seite je vier Holzsegmente aufkleben.

Diese Segmente rund zu drehen gelang mir erst als ich den rotierenden Drehstahl benutzte. Hierzu wird der Proxon Miromot 50 anstelle des Stahlhalters eingespannt. Nun lässt sich gegenläufig die Rundung mittels Formfräser exakt herstellen.

Beim Vierzylindermotor besteht die Schwierigkeit, dass die damaligen Motoren mit nicht einmal 2000 U/min drehten.

Um die Geschwindigkeit des Modells dem Maßstab anzupassen, musste ich ein 1:4 Zwischengetriebe einbauen.

Eine sehr angenehme Erfahrung aus diesem Projekt war die Tatsache, dass alle angesprochenen Fachleute mir immer mit Rat und Tat weitergeholfen haben.

So entstand in sechsjähriger Bauzeit ein glänzendes, detailgenaues Modell eines Automobils, das es im Original nicht mehr gibt.


Als Audi Mitte der 90-er Jahre wieder begann, Aluminiumkarosserien zu fertigen (Beispiel: Audi A8), wurden diese auch im Hochglanz-Alu-Look dem Publikum vorgestellt.







Gerd Bauer Modellbau