Gerd Bauer Modellbau

Motor Veloziped Maybach

Als kleines leichtes Gebrauchsfahrzeug entwarf Maybach im Jahr 1888 einen Zweispur-Dreiradwagen, mit dessen nachgezogenem lenkbaren Laufrad er die komplizierte Steuerung verschiedener Kurvenradien umgehen wollte. Dieses Motor-Veloziped blieb nur ein Projekt, um 125 Jahre später als Modell verwirklicht zu werden.


Ein Konstruktions- und Baubericht von Gerhard Bauer

Daimler und Maybach hatten im Jahr 1883 erfolgreich den schnelllaufenden Motor gebaut.

Als Nächstes folgte im Jahr 1885 der wegen seiner Form Standuhr genannte Motor:

Standuhr Gegenseite

Er wurde im ersten Motorrad der Welt, dem Reitwagen  , verbaut.

Im Jahr 1886 wurde dieser Fahrzeugmotor als Antrieb in eine Kutsche eingebaut, die über eine zweistufige Riemenscheiben-Untersetzung, die der Chauffeur während der Fahrt umsetzen konnte, angetrieben wurde.

Die Lenkung war eine kutschenübliche Drehschemel-Lenkung.

Dieses Provisorium entsprach keineswegs den technischen Vorstellungen von Maybach. Daimler wollte im Grunde keine Fahrzeuge sondern nur Motoren bauen, die Andere zu Lande zu Wasser und in der Luft einsetzen sollten. Letzteres erklärt übrigens die drei Strahlen des Mercedessternes: die universelle Motorisierung "zu Lande, zu Wasser und in der Luft ".

Dieser einzylindrige Viertaktmotor lieferte aus 460 ccm bei 650 U/min 1,1 PS (0,8 kW). Damit war das Fahrzeug deutlich untermotorisiert.

Heinz Kronmüller hat den Modellmotor im Heft Maschinen im Modellbau, Ausgabe 06/2012 ausführlich beschrieben. Aus dem Fazit am Ende seines Berichtes zitiere ich:

" Ein Nachbau der Daimler Motorkutsche wäre genau das richtige Folgeprojekt für den Einbau dieses Modellmotors. "

Da ich jedoch - genau wie W. Maybach - die Meinung vertrete, dass der Riemenwagen mit "12 km/h zu langsam" und " von der ganzen Konzeption zu primitiv" war, blieb mir folgerichtig die Verwirklichung des Velozipeds als mein nächstes Modell. Maybach hatte den Riemenantrieb als "unmechanisch, eben eine motorisierte Kutsche"   bezeichnet.

W. Maybach entwirft in einer Skizze am 02.07.1888 ein Fahrzeug, das bereits damals Konzepte realisiert, die noch heute in jedem KFZ für Sicherheit und Straßenlage verantwortlich sind:

• Leichtbaufahrgestell
• Motor
• Kupplung
• Viergang Schaltgetriebe
• Differenzial
• Spurstangenlenkung

Skizze


Soweit nun zur Geschichte dieses Fahrzeuges.

Bevor mit der Konstruktion und dem Bau begonnen werden kann, müssen einige Fragen beantwortet werden.

(1) Woher passende und historisch korrekte Reifen beziehen ?

Je nach Modell gibt es im Handel eine Vielzahl von Reifen.
Bei meinen Modellen scheidet der Kauf jedoch meistens aus: Vor dem ersten Weltkrieg waren die meisten Reifen aus Naturkautschuk gefertigt und mithin von weißer Farbe.
Dies bedeutet, dass eine Aluform angefertigt werden muss, in die die Gummiwerkstatt die Reifen brennen kann. Es ist nicht einfach, weißes Ausgangsmaterial zu finden. Ich habe es in einem Indianerladen am Yukon gefunden. Die Indianer machen auf ihre Mokassins Naturkautschuksohlen.
Es gibt auch Firmen, die Reifen auf Bestellung herstellen, bspw. Thomas Tränkl

(2) Woher passende Schrauben, Muttern und Nieten beziehen ?

Bei einem Maßstab von 1:10 ist M1 im Original M10.

Modellbauschrauben von bspw. Knupfer Modell- und Feinwerktechnik haben eine kleinere Schlüsselweite und sind höher als DIN-Schrauben. Damit kann man einiges kompensieren.

Hinweis: Bei Modellbau-Shows achten die Mitglieder der Jury ausdrücklich auf Schrauben und Nieten, die nicht maßstabstreu sind.

Die frühreren Fahrzeuge waren teilweise aus Holz gefertigt und hatten sog. Schlossschrauben. Diese jedoch gibt es in derart kleinen Maßen überhaupt gar nicht.

Dieses Problem löse ich, indem ich auf Messingziernägel ein Gewinde schneide und mit einer Vierkantmutter auf der Gegenseite sehen sie dann wie echte Schlossschrauben aus.

(3) Welche Maße sind mit modellbauer-typischen Maschinen noch zu bearbeiten? Welche Durchmesser sind beim Drehen möglich? Welche Verfahrwege stehen beim Fräsen zur Verfügung?

Für Gewinde bspw. M1 braucht man eine sehr ruhige Hand. Für Innengewinde habe ich aus einer alten Handhebelpresse und einem Proxxon Mikroschrauber einen Gewindeschneideapparat gebaut:

Gewindeschneider andere Seite

Damit sind die Gewinde zuverlässig winkelrichtig und die Bruchgefahr des Gewindeschneiders ist dank der Rutschkupplung deutlich geringer.

Mit dem Minibohrwerk lassen sich die kleinen Bohrungen exakt ausführen.

Zunächst ist Konstruktionsarbeit angesagt.

(4) Für mich ist eine präzise Zeichnung im Vorfeld der Konstruktion sehr wichtig.

In der Zeichnung Maybachs sind keine Maße angegeben. Jedoch ist der Motor abgebildet und bietet sich als Bemessungsreferenz an, da dessen Maße bekannt sind. Wenn also ein oder gar mehrere Referenzmaße vorhanden sind, kann man am PC den Rest auf den gewünschten Maßstab zurechtzoomen.

Mittels des Dreisatzes skaliert man nun das gesamte Modell exakt zurecht. Wenn beim Ausdruck eine A4-Seite nicht ausreichen sollte, wird in Segmenten ausgedruckt und zusammengeklebt oder im Kopiershop groß ausgedruckt.

Ich erstelle immer zuerst eine Zusammenbau-Zeichnung mit Draufsicht und Seitenansicht. Daraus leite ich die Maße für die Einzelteile ab. Damit werden Fehler vermieden und erst danach fallen die ersten Späne. Ich beginne immer mit den schwierigen Teilen zuerst.

Zeichnung ZeichnungNr2

(5) Es müssen immer wieder Komponenten angefertigt werden, für die handelsübliche Werkzeuge ungeeignet oder zu teuer sind.

In die Kotflügel meines Alu-Autos mussten beispielsweise kleine Sicken eingerollt werden. Die normalen Sickenrolleinrichtungen waren zu grob. Also musste ich ein Rollwerkzeug im Maßstab 1:4 bauen. So entstanden mit der Zeit:


• Handbiegemaschine
• eine Biegemaschine mit drei Walzen
• eine Universalbiegemaschine
• Rohrbiegeeinrichtungen
• Blechschere

alles im kleinen Format.

Bei den Achsabständen und Zahnradgrößen kam ich erst zu einem befriedigenden Ergebnis, als ich als Modul 1:2,5 wählte; dann passte alles.

Getriebe Getriebe

Bezugsquelle: Antriebskomponenten

Die Metallzuschnitte bestelle ich unter: Wilms Metallmarkt.

Für die Achslager habe ich Gußmodelle gefertigt und im Wachsausschmelzverfahren abgegossen. Hier ein Bild eines Achslagers in der Drehbank zur abschließenden Bearbeitung der Flanken:

Achslager

Achslager2

Die im Wachsausschmelzverfahren gegossenen Pedale:

Pedale

Da der Maybach-Entwurf keine Bremsen, Pedale, Gashebel und Schaltung ausführt, mussten diese Komponenten gemäß Entwicklungsstand der damaligen Zeit konstruiert und gebaut werden:

Achslager Spurstangen und Streben enstanden aus Stricknadeln (meine Frau sucht heute noch). Die Federn unter der Sitzbank waren Zinken aus einem Laubrechen, und die unter dem Sitz für den Chauffeur sind aus einem Kleiderbügel gebogen.

Sitz

Federung

Zum Tiefziehen der Tankkugelhälften habe ich ein zweiteiliges Formwerkzeug angefertigt.

Tankform

Die rechte Kugel ist der Kühlwasserbehälter, darauf die Kühlerfigur. Dabei handelt es sich um den griechischen Windgott Aiolos. Er dient der Kühlung als Druckausgleich. Das Kühlwasser fließt aufgrund des Thermosyphon-Effektes durch den Fahrzeugrahmen und wird von einer Pumpe unterstützt.

Die linke Kugel ist der Treibstofftank. In der Figur ist eine Füllstandanzeige integriert.

Alle Holzteile sind aus feinfasrigem Buchenholz angefertigt und passen somit zum Maßstab. Das vorderste Teil des Trittbrettes dient gleichzeitig als Stoßstange. Die erste in der Automobilgeschichte.

Der Haltebügel für die Schalthebel wurde so konstruiert, dass die Kabel von der Batterie im Koffer zur Glühkerze unsichtbar verlegt werden konnten.

Ein Durchmesser von ∅ 30 mm und 42 mm Länge standen für den Einbau des Differnzials zur Verfügung.

DifferentialZ

Differential

Das Differenzial funktionierte bereits damals wie das in jedem einzelnen PKW auf unseren heutigen Straßen.

Felgen

Für die Felgen stand wieder ein wenig Rechenarbeit an, um den richtigen Umfang zu ermitteln. Auf der selbstgebauten Blechwalze wurden Blechstreifen zu einem Ring gewalzt und anschließend verschweißt. Für die Sicken in den Felgen habe ich zwei entsprechende Rollen gedreht und die Sicken in die Felgen gedrückt.

Für die Speichen habe ich Edelstahl-Schweißdrähte verwendet. Da diese nicht gelötet werden konnten, kamen Kabelhülsen zur Anwendung, die einerseits die Speichennippel darstellen und andererseits eine größere Klebefläche schaffen. Zum Verkleben verwende ich Loctite-Hochleistungsklebstoffe.

Hülsen

Am Ende war noch die Aufgabe zu lösen, dass das Modell funktionieren und ferngesteuert fahren sollte. Bei einem historischen Modell dürfen elektronische und Fernsteuer-Komponenten nicht sichtbar sein. Es bot sich an, diese im Reisekoffer und in der Puppe des Fahrers (Herrn Daimler) unterzubringen.

Das Modell lässt sich sowohl durch den funktionsfähig selbstlaufenden Benzinmotor antreiben als auch über ein ankuppelbares Getriebe durch einen im Koffer untergebrachten Glockenankermotor von Lemo-Solar. Kofferzu

Im Koffer ist noch ein Geräuschmodul verborgen (gekauft bei einem großen Elektronikfachhandel, der mit Großbuchstaben C beginnt. Daneben befinden sich darin noch der Fernsteuerungsempfänger, drei Servos, der LiPo-Akkumulator, Fahrtenregler und die Batterie für die Glühkerze.

Kofferoffen

Zum 125-jährigen Jubiläum enstand somit ein fahrfähiges Modell im Maßstab 1:3.

Dazu passend wurden noch maßstabsgetreue Puppen von Wilhelm Maybach und Gottlieb Daimler gefertigt. Dies gibt uns eine Vorstellung der ersten gemeinsamen Ausfahrt, die so nie stattgefunden hat. Dennoch war in dieser Skizze angedacht, was heute noch Stand der Technik ist. Im Dezember desselben Jahr entstand übrigens der Stahlradwagen, auf dem die beiden tatsächlich durch Cannstadt fuhren.

MaybachPuppe

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